Kreidler

The Master Precision of Electronic Music Pop

Category: Bildidee

Zagreboctober (Tag Eins)

»The point is, Marta, that I never cared for art.« 

(HE)

Wie man den Flughafen verlässt und dann sucht und versucht, etwas zu sehen, was man noch nicht gesehen hat an anderer Stelle oder zu anderer Zeit, und dann vielleicht denkt, oh Trauerweiden mit runden Blättern, oder, diese kleinen Vögel und vielleicht, eine eigentümliche Kaminarchitekur und die abgerundeten Ecken, und das war es eigentlich auch schon, bis auf natürlich, wie ‘was neben, unter, hinter, vor oder auf ‘was platziert wird, dass das anders ist und einem vielleicht zu wiederum etwas anderem, für einem neuen bringt oder bringen könnte und sei es nur für einen Moment, diesen einen Moment. 

Zagreb also, viele ältere Leute auf den Straßen, viele gut gekleidete Mädchen, und Heinz Emigholz, der winkend um die Ecke kommt und mit dem wir dann Kaffee trinken. Fußwege in einer gemütlichen Kleinstadt, Kriminalität als Exportschlager vielleicht, zumindest hier gibt es keine, das Rennrad unabgeschlossen abgestellt, iPhone auf dem Caféhaustischchen, Terassen soweit das Auge reicht. Gemütlich. Aber, mit Verlaub, der Kaffee in Berlin ist besser (mittlerweile). Und hören? Als der Flieger startete, kurz nach sechs in ungewohntem Frühnebel, da strich und schleifte das Metal wie bei Morton Subotnik. Der gleiche Nebel empfing uns in Zagreb. Sonst war nicht viel. Am Tag Eins in Zagreb.

Acid Brass

»Mit Air Borderline nach Tegel«

Es gab in der Geschichte der Verunglimpfung von elektronischer Musik nur selten einen Moment, wo dieser tatsächlich die Welt weiterbrachte. Man kann mich jagen mit der Legion selbsternannter Klaviervirtuosen, die meinen, Jeff Mills in die Konzertsäle tragen zu müssen, oder, gefühlt noch schlimmer, ihre Flügel im Berghain aufschlagen. Als hätte das irgendeinen Erkenntniswert. Als gäbe es nicht den Quantumlock, der da sagt, die elektronische Komposition und das elektronische Gerät, auf dem sie komponiert wurde, seien nicht zu trennen.

Eines der wenigen Momente also, ist Acid Brass, zumindest das erste Album, und natürlich live. Das mag daran liegen, dass es die neuzeitliche Übertragung des kirchlichen Bachs weltlicher Parodien ist. Das mag am Bescheuertsein von Jeremy Deller liegen, wie es sich auch in der Acid<~>Brass begleitenden genealogischen Grafik manifestiert, an der verqueren Britishness im Generellen, wo auf Pub und Arbeiterklasse (im Guten) zugedrogte Akademia (auch im Guten) trifft, woraus dann eine irgendwie dandyeske Überhöhung entsteht, die es so eben nur in Old Blimey gibt (siehe beispielsweise auch das britische Fussballlied oder Edith Sitwell). Oder es mag an dem faden Essen liegen oder an dem schalen Bier, an der Sehnsucht nach Arcadia, dem System der Artschools, oder schlicht an einer Beschemeltheit als Resultat von Generationen, die ihr Dasein auf einem seit Jahrtausenden abgeschiedenen Eiland fristen.

Jedenfalls: Acid Brass. Und nicht irgendwo auf einem matschigen Openair, oder in kleinbürgerlicher Dämlichkeit, Model Wackener Feuerwehrskapelle, sondern in den Berliner Festspielen. Die Bühne auf der Bühne dreht sich in den Zuschauerraum und danach war Bestuhlung war gestern.

Was danach kam, tat dem Abend keinen Abbruch, fügte ihm aber auch nichts weiter hinzu.
Jeremy Deller im Gespräch, in seiner üblich gockelhaften Selbstverliebtheit.
Graham Massey of 808 State fame, der sich damals von den Royaltys für Pacific State eine Flöte kaufen konnte, mit der dann 1989 eben jenes Pacific State einspielte, meinte nun bei seinem holprigen Liveset dieselbe wieder auspacken zu müssen. Opa erzählt, wie Opa vom Krieg erzählt.
Dave Haslan, den Abend charmant und wissend einführend, seines Zeichens letzter Hacienda DJ, der von der Euphorie beim Erwerb amerikanischer Importplatten in Martin Price’s (of 808 fame) Eastern Bloc (Berlinwitz folgte) berichtete, 12inchs mit damals noch namenloser Musik, um dann in der architektonisch wunderbaren Nebenbühne-als-Disco tatsächlich nur Mix CDs abzuspielen. Immerhin elegant, und natürlich das Hit-Programm (durch die Manchester Brille) abfeuernd.
Und immerhin, zum Tanzen brachte er uns schon.

Neymar

»I think you’re wrong
this thing invents itself
and goes on and on and on«

(A. Reihse, L.A. Part I – City Of Fur)

Fußballschauen im Garten bei Sushi und nebenan die schöne Anna Vogel Ausstellung, die Jörg Sasse studiert hat, Gursky Rhein II und Gursky Beelitz, und daraus ihre eigenen Schlüsse gezogen hat, und dann mit Andro Tom Cruise im Sony Center bei Edge of Tomorrow besuchen, um mit Verwunderung festzustellen, dass und wie sich in den Angriffen der Aliens Anna Vogels Fotografien in Bewegung setzen. Film als Loop, Loop als Film, tatsächlich nicht doof, wenn man davon absieht, dass der Mainstream-Sci-Fi in den letzten Jahren sowohl als Fernsehserie wie im Kino mehr oder weniger offensiv für drastisches militärisches Aufrüsten und massiven Ausbau von Geheimdienstaktivitäten argumentiert.

Nicht die leiseste Erinnerung an die Filmmusik; ganz im Unterschied zum letzten Cruise, Oblivion, wo es nach zumindest gefühlten 30 – 40 Jahren überraschend einen elektronischen Score gab, und kein elendes John Williams (a.k.a. Daft Punk) Bombast-Geschmiere oder tribalistisches Getrommel trifft auf Metal-Gitarren. Danach tranken wir Martini Extra Dry, wurde Neymar gefault, und der Regen setzte ein.

Bovie

Bowie Ausstellung im Martin Gropius Bau. Wir bewegen uns vom Haus der Kulturen der Welt, wo gerade die Deklination des Begriffes Navigation in einer handfesten Auseinandersetzung zu Ende gegangen war, über die abgesperrte Straße des 17. Juni Richtung Potsdamer Platz.

»Vierzehn Euro Eintritt« schickt uns eine alte männliche sackgesichtige Unhöflichkeit an den anderen Schalter, er habe keine Lust mehr, Tickets zu verkaufen. Wir werden zu Kopfhörern genötigt, die sich im Ensemble von Diorama zu Diorama selbst weiterschalten werden, »sie müssen nur die Lautstärke regeln«; nicht nur wegen der Nadel im Ohr lasse ich sie meist um den Hals baumeln. Es gibt Ausschnitte von Bowiemusik zu hören. Und ab und zu auch mal einen Gastsprecher; was ja okay wäre, Bowies Stimme über die Jahrzehnte sowieso, wenn das, was zu sehen ist, nicht so jämmerlich aufbereitet wäre. Als Event, als Spektakel, als Taschenspielerei, als Guckloch, mit dicken Headlines, David Bowie hasn’t left the Building yet. Und dann David Bowie has left the Building now. Und so weiter. Und #tags an jeder Texttafel. Verwegen schräg gesetzt. Störer. Keine -isms aber -ions. invention, reduction, oblivion. Hallo!? Und Dunkel soll es sein. Sonst kommen die Illuminationen ja nicht gut oder die Hologramme. Geisterbahn. Ein einziges Darüberschmieren und Zuklatschen von Artefakten, wie ein aus den Fugen geratenes Fachhochschul-Projekt. Aber Zweitsemester. Vielleicht ein Problem des Designers, dass man immer vorne sein will, und denkt, alles aufzufahren, was an technischer Spielerei geht, sei cutting edge, und dann gar nicht mehr merkt, wie weit man eigentlich hinten liegt.

Zum Ende hin schwang sich die Ausstellung noch ein Ebene tiefer, wo dann auf Erich Heckel ein Ausschnitt von Michael Clark’s grandiosem Tanzstück come, been and gone folgte, aufs jämmerlichste editiert, und als finaler Appendix Bowie in Berlin, was ja manches hätte retten können, aber ein paar an die Wand geklatschte Bildchen… manchmal ist scheißiges Scheitern eben nur scheißiges Scheitern.

Holger Liebs meinte später, er hätte die Ausstellung in London gesehen und keine Erwartungen an das Display gehabt, er hätte es ja auch nicht wie eine Kunstausstellung betrachtet. Darum geht es ja auch tatsächlich nicht, aber hätten sich die Ausstellungsdesigner nicht vielleicht ein bisschen Kunst anschauen können, um sich davon inspirieren zu lassen? Einen von Mucha’s Höllenmaschinen-Räumen zum Beispiel; oder wie Wolfgang Tillmans seine Fotografien zeigt; oder wie Stephen G. Rhodes mit Räumen umgeht; oder die in die Ecke gedrückten alten Vitrinen im Londoner Natural History Museum.

Was allerdings toll an der Ausstellung war, dass ich sie mit KB besucht hatte. Und in der Nachsicht freuten wir uns über 14 Euro Eintritt; dass sich etwaig neugierige junge Menschen vielleicht doch von einem Besuch abschrecken lassen, stattdessen lieber für 6 Euro The Man Who Fell To Earth im Arsenal ansehen, sich ein Popcorn teilen und beseelt und inspiriert die Kurzstrecke nach hause antreten.

Ich dagegen musste mich anschliessend bei strengem Denken zurück im Haus der Kulturen der Welt erden.

Parismessidor

Ankler, Hoder, Segatnini

(Meisterwerke aus der Stiftung für Kunst, Kultur, und Geschichte, depliant »Ihr Reisebekleider« disponible sur votre pochette)

Es ist Modewoche in Paris. Es ist immer irgendeine Modewoche in Paris. Und wer denkt hier auch schon an Fußball. Vielleicht die Périphérique. Team Dreifarben Irgendwas. Es ist Modewoche in Paris und 22/4 hommes femmes hat uns eingeladen, im Silencio zu spielen. Im Bemühen mich auf den von David Lynch gestalteten Club einzustimmen, hatte ich Wild at Heart aufs iPad geladen. Ich denke, seine einzige Regiearbeit, die ich bisher zu schauen versäumt hatte. Kinder mit wilden Augen rütteln mich wach, ein Blick auf die победа lässt vermuten, dass ich bereits 20 Minuten nach Filmbeginn eingenickt war; ich drehe das Rad weiter, in weißer Voraussicht hatte ich auch Naked Lunch aufs iPad geladen. Ich glaube, die einzige Regiearbeit von David Cronenberg, die ich bisher versäumt hatte, zu sehen. Und seine universelle Abhandlung über die Schwierigkeit des Schreibens hält mich wach. Weit über die Pfalz hinaus. Ungebremst rast der TGV in den Gare de l’Est. Fur Disco.

Saison Frühjahr/Sommer 2015. Will ich das jetzt sehen, will ich das jetzt wissen – im anbrechenden Sommer 2014!? Will ich doch wenn schon dann auch jetzt haben. Wie die Modebranche ein noch seltsamere Welt geworden ist als die Musikindustrie. Das Silencio steht hübsch da, Vorhang auf, Kreidler an, Vorhang zu. Kleines DJ Anhängsel von Robert. Dann in der Nacht ist es nur noch Laden und zeigt sein hässliches Gesicht; das Publikum wird ausgewechselt, das Bier kostet 18 Euro und die Musik ist billigster R&B Disco House, den selbst ich nicht hören mag. Die anwesende Jeunesse Doré hat den Spagat, fein angezogen und dabei schlecht gekleidet zu sein, perfektioniert. Wie sich ein vorgeblich Mondänes und Kleinstadt dann doch immer wieder ähneln.

Nacht auf dem Schiff, Nespresso und Croissants am Morgen, Anne näht mir einen Knopf an, weiter geht das Leben. Danke Steffi und Gordon. Abfahrt.

Grill Royale [Awst & Walther]

»She knew the book as an emptiness in the otherwise solid room«
(Mark von Schlegell, Mercury Station)

Als am nächsten Morgen,
Nach der langen Nacht,
Die einen abgereist, die anderen matt,
Als am nächsten Morgen,
Die einen fotografierten,
Die anderen am Strand spazierten,
Als am nächsten Morgen,
Die Frage aufgeworfen
Wurde, wer denn nun den Grill
Reinigen wird,
Da stand ich bereit.

Nun wollte ich auch herausfinden, was denn genau faul ist, an Barbeque, und ein stumpfes mehrstündiges Schrubben mit der Stahlbürste schien mir genau das Richtige, um einen Text im Kopf nieder zu legen. »Soll sein.« (Giorgi Sumbadze)

Es tut wenig zur Sache, dass ich kein Fleisch esse; messianisch bin ich da nicht, und eine besondere Zuneigung zu Kühen oder Schweinen hege ich auch nicht; der Mensch möge sich die Natur untertan machen; aufgehört, Fleisch zu essen, hatte ich im Zusammenhang mit einer vagen Haltung gegen Globalisierung, also gegen das, wie und was globalisiert wird und wer das kontrolliert, hier dann südamerikanische Massentierverwertung für billiges Westfleisch, Verhungern im Rest der Welt, Cash crops, etc. Das war vor Jahrzehnten, tiefer Durchdenken will ich das jetzt nicht; in der Sowjetunion gab es schließlich auch Fleischfarmen. Oder als Hypokrit, dass mir damals mein Kriegsdienstverweigerungsberater riet, dass ich in meiner Kriegsdienstverweigerungsbegründung doch bitte schön ein paar Beispiele meiner pazifistischen Gesinnung geben solle, da ich nicht auf Demonstrationen gehen würde und auch keiner Religionsgemeinschaft angehören würde, DKP-Erstwähler zählte jedenfalls nicht. Am liebsten hätte ich Ata über den Grill gekippt. Natürlich ist es ein Weber-Flagship-Modell. Wo der Grillmeister bei Webers zwölf Assistenten hat, die die ganze verkohlte Scheisse von dieser mistigen Fehlkonstruktion runterkratzen. Ich hämmere mit der Bürste auf den Rost und muss an FM-Einheits kaputte Gelenke denken, vom Metal auf Metal schlagen; da federt nichts. Die Sonne sticht, Yoga ist anders. Aber irgendwie macht es auch Spaß. Ein perverser Spass.

Neben dem Grill steht eine Gasflasche. Ich kratze also tatsächlich nur Leichenreste herunter. Kein Koks. Zählt das Argument, wie hier Ökonomie kaputt gemacht wird? Oder ist das das Jean-Pütz-Hobbythek-Prinzip, also Hobby als Opium für das Volk, nachdem Religion im Bach untergegangen ist (Kirchensteuer, Al Kaida)? Die sozialistische Idee des Grillens jedenfalls sieht so aus: man versammele sich um ein Lagerfeuer, spitzte mit dem Sackmesser Aststücke an, spiesse darauf Wurst-, Fleisch-, von mir aus auch Fisch-, Gemüse-, Soja- und Käsewaren, packe Kartoffeln in Stanniolpapier (oder, wer Angstfrei, in Alufolie), und singe zur Ukulele Weisen von Degenhardt und Knef. Apres Crépuscule.

Tumb Raider [Awst & Walther]

»Where do you draw the line,
On school trips to France«
(Terry Hall, Fun Boy Three, Well fancy that)

Sonne sticht. Und Wind weht. Weht kühl. Sigal Zouk dreht sich im geschützten Glas. Ich versenke mich tiefer im dichten, weichen Gras. Ein aufmerksames Dämmern zu Theorie-und Praxis-Input. Um 18 Uhr dann in die Höhle. Eine nette Idee, von Dr. Gary Robinson referiert, die zwei gefundenen ein paar tausend Jahre alten Körper seien möglicherweise kein Führungspersonal gewesen, sondern über ihr Ableben hinaus gefährliche Feinde, die man sicher weggesperrt verscharren musste. Robin Mackay endete seinen Talk mit einer Zeitreise, ich denke an Mercury Station und installiere mein Kleinelektro-akustisches Set auf einer schiefen, herabgestürzten Deckenplatte. Aneignen Modernistischer Gestaltungsprinzipien in Form eines Betongewölbes in begehbarer Präsenz-Archäologie. So weit war man in den 1950ern noch. Ich kriege noch eine andere Idee: der Tomb in Barclodiad-y-Gawres galt den Neolithischen Baumeistern als misslungenes Werk, weswegen sie es unter einem Erdhügel vergraben hatten; leider aber haben ihre meisterhaften Holz-Architekturen die Jahrtausende nicht überstanden. Headroom bis zum Abwinken, mein leisestes Konzert ever, Hurdy-gurdy resoniert nun mal nicht auf Stein auf Stein auf Stein. Ich splitte die Kabel und schleife alle Signale durch das Korg Monotron MS20 Delay. Das selbstgelötete Conrad-Electronic-Digitalecho versagte im mobilen Einsatz leider doch, zu wenig Spannung von der Knopfbatterie. Raus in die Sonne, zweites Set, Sounddrop vom iPad, LFO-Dreieckswellen-geschreddert. Sigal dreht sich dazu im Glas und raus aus dem Glas und um das Glas herum und über mich hinweg und schnappt sich den übermütigen Fan als Gerüst und lässt ab, rollt ihn den Hügel runter, Crépuscule, dem Morgen entgegen.
Danke, Applaus, Abgang.

Erschöpfung.

Im Tal der Ahnungslosen. (gemein…)

Hasseltmai.

Film 2 und mit er nächsten Platte entscheidet es sich dann ob der Dj Oldie Disco geht.
Er geht. Daniel Miller als The Normal. Das Al tanzt weiter. Ich warte auf Being Boiled. Aber erstmal The Bostich. Originalversion. Okay, dann jetzt Being Boiled. Ne, erstmal Liquid Liquid. Klar, hätte ich beinahe vergessen geht natürlich auch. Aber: Fehler, die Tanzfläche leert sich, in Sekundenschnelle. Der Dj schwitzt. Ich tippe auf Eurythmics Sweet Dreams oder doch eher Bauhaus Bela Lugosi. Ach nee, er kennt sein Publikum. LCD Soundsystem. Alex sagt The Fall auf Amerikanisch. Ich sage, also die Lyrics sind doch viel zu cheap. Alex sagt, “ja eben auf amerikanisch”. Ich sage “ne, maximal The Underworld auf Amerikanisch.” Und höre plötzlich doch nur noch Marc E. Smith. Gemein.
Dann Überraschung: Jimi Tenor. Wir verabschieden uns von der Bar und gehen in die nächste, Bier und Smirnoff und Salzjebäck unter Marilyn Monroe und Elvis zu meiner Lieblingsband, wenn es um stumpfe Rockmusik geht, CCR. Hasselt auf amerikanisch.

Also Hussle.

Oder so.

Setliste, keine Experimente.

Hasseltmay

»Is it just me?« he wondered. »Or are we all travelling here from the future?«

(Mark von Schlegell, Mercury Station)

Hurra! Die Grafikkarte ist Geschichte. Also Nichthurra. Der angekündigte Tod. Wo mein PowerBook G4 Titanium seit 13 Jahren munter seinen Dienst tut, selbst der Akku lädt noch bis 3 Prozent. Der angekündigte Tod, weil es die Modellreihe mit der Nvidia-Karte ist, für die Apple bis vor 15 Monaten ein Austauschprogramm angeboten hatte. Was Thomas, der ein etwas kleineres (Prozessor) MacBook Pro hat, in Anspruch nehmen konnte, weil die Grafikkarte in seinem Gerät vor 15 Monaten minus 10 Tage Geschichte gewesen war. Und Apple, kurz davor wieder einen Pepsi Cola Mann als CEO einzustellen, für fünf Jahre alte Produkte auch keine Ersatzteile jeglicher Art mehr bereithält. Vielleicht RAM Klötzchen. Leider ist es bis heute das letzte schöne Modell in Apples portabler Reihe. Ich will nicht auf einer schwarzen Tastatur schreiben, und ich will keinen schwarzen Bilderrahmen um meinen Screen. Und eckig will ich auch. Oder, sagen wir, wenn ich das akzeptieren würde, weil ich auch keinen alten Rechner (jetzt schreibe ich das Wort doch noch) neukaufen möchte, dann fühlt sich mein Workflow schon alleine beim Denken an Mavericks, das neue Logic, den Thunderbold-auf-ExpressCard-Adapter, neu zu erwerbende HTML-, ftp- und Grafikprogramme ziemlich ausgebremst an. Ich habe aber auch keine Lust, allzu lange über ein Werkzeug nachzudenken, weil es eben schlicht ein Werkzeug ist. Aber.

Aber.

Im Zug nach Hasselt. Wo ich Thomas Computer in Beschlag nehmen werde. Setliste wie gehabt.

Beim Italiener

»Irgendwo geht die Sonne auf

Irgendwo hält sie Mittagslauf

Irgendwo sagt sie gute Nacht

Irgendwo ist der Tag vollbracht.«

Wir sitzen mit Quentin Crisp in der Hauptstadt in einem Pub, in einem dieser Plastikcontainer, die mit Giesholz und Fayence Attrappen entlang gefälschter Wikipedia Einträge eine höchstens in Bruchstücken jemals existente britische Kultur[geschichte] (kulinarisch, heldenhaft, gebildet) herbeizaubert, den dem gnadenlosen Untergang entgegentreibenden von imperialistischem Gendefekt und Amerikahörigkeit benebelten englischen Patienten seine Dementia versüßt.

Natürlich wollten wir englisch essen, was auch sonst. Fish and Chips, Cod, also Kabeljau oder so etwas, in neutral fader Panade. Die Kartoffelschnitze sind matschig, wie wir es lieben, zwei Löffel Erbsen kullern munter auf dem Teller herum. 

Quentin ist begeistert. Wir schütten die halbe Flasche Malt Essig darüber, um eine Ahnung von Geschmack in das Essen zu bringen, eine Handvoll Salz und was an Pulverpfeffer da ist; ich erzähle ihm von letzter Woche, in Mediterranien, als wir mit Jeff Goldblum in seiner Paraderolle als Wissenschaftler Sethaniel Brundle in Cronenbergs The Fly bei Tante Sopho Melnikova sitzen, dem dem hauptstädtischen Literaturmuseum zugeordneten Restaurant, und gar nicht genug kriegen können von den Gerichten, deren Aromen unsere Sinne benebeln. Regionale, saisonale Zutaten, frisch zubereitet, ein Farbenmeer von Kräutern und Gewürzen, aber feinst abgestimmt, kein sich überlagernder Brei wie an der indischen Touristenbude Reeperbahn, Altstadt Düsseldorf oder Gruselfalafel Berlin Graefestrasse, sondern offene Schichtungen, die aufeinander reagieren, miteinander spielen, sich und uns Platz zum Atmen geben. Gerichte, die von der ganzen Jahrtausende Jajajahrealten Geschichte des Landes erzählen, die einem mitnehmen, weich werden lassen, zu Tränen rühren, glücklich machen. Quentin wendet sich angeekelt ab. Essen, faucht er, Essen soll einem in Ruhe lassen.